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Bad Hersfeld 26. 07. 2012

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz

AGG - Diskrimierung adé !?   Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist da und soll Benachteiligungen weitgehend ausschließen.

Die Vorgabe war aus Brüssel gekommen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich lange Zeit sehr schwer getan und wollte erst ein Anti-Diskriminierungsgesetz schaffen. Schließlich hat man sich in Berlin zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz durchringen können. Nachdem die Vorlage zu spät beim Bundespräsidenten eingegangen war, konnte das Gesetz nicht wie geplant zum 1. August 2006 in Kraft treten, sondern gilt jetzt nach der Verkündung im Gesetzblatt seit dem 18. August.

Das Ziel ist die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Europa. Doch wie das ganze in der Praxis umzusetzen ist, das steht noch in den Sternen. Verträge sind zu überprüfen, Geschäftsbedingungen neu zu fassen, Rechtsstreitigkeiten sind vorprogrammiert – kurz die Unsicherheit ist groß.

Für die Gerichte und Rechtsanwälte steht jetzt schon fest, dass Probleme in ganz verschiedenen Bereichen auftauchen werden. Das Arbeitsrecht ist umfasst, aber auch das Mietrecht und das allg. Vertragsrecht. Nicht nur Arbeitgeber, Vermieter und Unternehmer müssen aufpassen, sondern auch Arbeitnehmer, Mieter und Verbraucher wollen geschützt und vertreten werden.

Die Bundesjustizministerin Zypries verspricht dazu: „Bürgerinnen und Bürger werden sich künftig besser gegen Diskriminierung wehren können. Das Gesetz ist eine Regelung mit Augenmaß, um inakzeptable Benachteiligungen zu verhindern.“

Was ergibt sich nun aber für den Einzelnen ?

-    Müssen Kirchen zukünftig auch Angehörige anderer Religionen in relevanten Bereichen anstellen?
-    Sind im Parkhaus zukünftig sog. Frauenparkplätze als Diskriminierung wegen des Geschlechtes anzusehen?
-    Dürfen Versicherungen nun ihre Tarife nicht mehr alters- oder geschlechtsabhängig gestalten?
-    Können im Schwimmbad Männer den Zugang zur Frauensauna einklagen?
-    Darf ein Biergarten in Bayern zukünftig in einer Stellenanzeige einen „echt bayerischen Kellner“ suchen oder stellt dies schon eine Diskriminierung wegen ethnischer Herkunft dar?

All diese Fragen wird man wohl auch in Zukunft verneinen können. Schließlich gibt es sachliche Gründe für die Ungleichbehandlungen, die auch das Gesetz zulässt.

Rechtsanwalt Carsten Lenz stellt das Gesetz kurz vor: „ Das Gesetz bietet Schutz bei Benachteiligungen wegen Rasse oder ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder der sexuellen Identität. Unzulässig sind unmittelbare und mittelbare Benachteiligungen, aber auch Belästigungen beispielsweise am Arbeitsplatz. Der betroffenen Person hilft das Gesetz dann insoweit, als das es eine Erleichterung der Beweislast bringt. Dies wird insbesondere in Gerichtsprozessen sehr oft den Ausschlag geben und stellt eine wesentliche Veränderung zum jetzigen Zustand dar.“

Das weiteste Anwendungsfeld wird das Gleichbehandlungsgesetz wohl im Arbeitsrecht finden. Waren dort bisher schon Benachteiligungen wegen des Geschlechtes verboten, so kommen nun alle weiteren diskriminierenden Merkmale auch zur Geltung. „ Stellenbewerber, die sich aus den gesetzlich geschützten Gründen benachteiligt fühlen, können nun versuchen, ihre Rechte auf der Grundlage des neuen Gesetzes durchzusetzen“, so Rechtsanwalt Raimund Schraad (Fachanwalt für Arbeitsrecht). „Aber auch bei Lohnnachteilen oder Sonderleistungen kann nun versucht werden, Ersatz zu verlangen, wenn man die diskriminierenden Motive nachweisen kann.“

Zulässig ist aber auch weiterhin beispielsweise die Festlegung eines Höchstalters für die Einstellung oder auch Fördermaßnahmen, z.B. Frauenförderung oder Maßnahmen für Behinderte. Das neue Gesetz soll von den Arbeitgebern im Betrieb bekannt gemacht werden, beispielsweise durch Aushang oder im Intranet.

Neue Fragen wirft das Gesetz vor allem im Mietrecht auf. „Als Vermieter stellt sich künftig die Frage, ob man eine Wohnung nur noch bestimmten Staatsangehörigen vermieten möchte. Wenn das ein Motiv bei der Mieterauswahl ist und der Mieter dies dem Vermieter nachweisen kann, dann wird ein Schadensersatzanspruch in Zukunft möglich sein“, so Rechtsanwalt Lenz. Ganz wichtig ist dabei aber der Gedanke des Gesetzes, dass die Regelung nur für sog. Massengeschäfte eingreift. „Der einfache Vermieter ist vom Gesetz gar nicht betroffen. Nur wenn ein Vermieter mehr als 50 Wohnungen vermietet, greifen die Antidiskrimierungsregelungen ein.“ Auch wenn Vermieter und Mieter auf einem Grundstück wohnen, greift das Gesetz nicht; ebenso bleibt eine ausgewogene Zusammenstellung der Mietergemeinschaft möglich, so dass eine aktive Wohnungspolitik nach wie vor gesichert ist.

„ Für uns Rechtsanwälte ist es ganz wichtig, dass die betroffenen Bürger sich rechtzeitig nach einer Ungleichbehandlung melden, da das Gesetz kurze Fristen von  2 Monaten vorsieht“, so die beiden Anwälte. „Nur dann ist auch wirksamer Rechtsschutz möglich und das Gesetz kann seine Wirkung entfalten.“

Ob durch das komplizierte Gesetzeswerk tatsächlich Ungleichbehandlungen ausgeschlossen werden können und Diskriminierungen  vermindert werden, das lässt sich heute noch nicht beurteilen. Es ist jedenfalls eine rechtliche Regelung geschaffen worden – in die Praxis umsetzen müssen es die Bürgerinnen und Bürger persönlich, oder mit anwaltlicher Hilfe in Gerichtsprozessen.

 
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