Scheurmann - Schraad & Partner Notare - Rechtsanwaltskanzlei

Bad Hersfeld 21. 09. 2013

Zeugnis

Zum Schluß eines dauernden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber ein schriftliches Zeugnis verlangen. Der Arbeitgeber ist dabei zu einer wohlwollenden Beurteilung seines Arbeitnehmers, aber auch zur Ehrlichkeit verpflichtet.

Weil ein Arbeitszeugnis einerseits wohlwollend, andererseits aber auch ehrlich sein muss, muss es alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamt-beurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung und für den Dritten von berechtigtem Interesse sind. Die Rücksichtnahme auf den Arbeitnehmer endet dort, wo sich das Interesse des künftigen Arbeitgebers an der Richtigkeit des Zeugnisses aufdrängt und das Verschweigen bestimmter Vorkommnisse zu einem falschen Eindruck vom Bewerber führen würde. Dem Gebot der Wahrheit ist also die Priorität einzuräumen.
Zwei Arten von Beurteilung
Es ist zu unterscheiden zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Zeugnis. Das ein-fache Zeugnis ist nur eine Bestätigung des Arbeitgebers über Art und Dauer der Beschäftigung. Es enthält keine Aussagen über Leistung und Führung des Arbeitnehmers, sondern soll dem Arbeitnehmer nur beim Arbeitgeberwechsel einen lückenlosen Nachweis über seine bisherige fachspezifische Tätigkeit ermöglichen.
Es ist also eine möglichst exakte Beschreibung der typischen Merkmale der dem Arbeitnehmer übertragenen Arbeiten zu geben. Ausgeübte Spezialtätigkeiten und Sonderaufgaben sind zu erwähnen (z.B. regelmäßige Vertretung des Vorgesetzten). Die Berufsbezeichnung ist stets zu erwähnen, genügt aber nicht als Ersatz einer ausführlichen Tätigkeitsbeschreibung. Es muss erwähnt werden, wenn der Arbeitnehmer eine besondere Verantwortung zu tragen hatte.
Ist der Arbeitnehmer mit verschiedenen, wechselnden Tätigkeiten betraut worden, müssen wenigstens die Haupttätigkeiten in chronologischer Reihenfolge aufgezählt werden. Über eine derartige gemischte Tätigkeit dürfen keine getrennten Zeugnisse ausgestellt werden. Berufliche Fortbildungsmaßnahmen, an denen der Arbeitnehmer teilgenommen hat, sind aufzunehmen, indem Art, Dauer und Abschluss bezeichnet werden. Der Träger der Fortbildungsmaßnahme ist nur auf Wunsch des Arbeitnehmers zu nennen.
Die Dauer der Beschäftigung ist mit Ein- und Austrittsdaten und nicht nach Zeiträumen anzu-geben. Unerheblich sind Zeiten der Freistellung nach Ausspruch der Kündigung. Auch kürzere Unterbrechungen der Tätigkeit, etwa durch Urlaub oder Krankheit, sind nicht in das Zeugnis aufzunehmen. Längere Zeiten der Arbeitsunterbrechung (langandauernde Krankheit) und er-hebliche Leistungsschwankungen oder der Umstand, dass die Beendigung des Arbeitsverhält-nisses aus Anlass der Krankheit erfolgte, kann dann im Zeugnis erwähnt werden, wenn durch ein Verschweigen das Zeugnis einen unrichtigen Inhalt erhalten und einen unrichtigen Gesamt-eindruck erwecken würde.
Ansonsten hat der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also warum gekündigt wurde, weder mit der Art noch mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses zu tun und darf daher nur auf Wunsch des Arbeitnehmers in das Zeugnis aufgenommen werden. Gleiches gilt für die Beendigungsmodalität (Aufhebungsvertrag, ordentliche oder außerordentliche Kündigung) sowie für die Frage, von welcher Seite die Initiative für die Beendigung des Arbeitsverhält-nisses ausgegangen ist. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist das Zeugnis um die Beurteilung von Leistung und Führung während des Arbeitsverhältnisses zu ergänzen (qualifiziertes Zeugnis). Ein ohne Verlangen erstelltes qualifiziertes Zeugnis kann der Arbeitnehmer zurück-weisen. Es müssen im qualifizierten Zeugnis Aussagen zu den beiden Komplexen "Leistung" und "Führung" erfolgen.
Für die Bewertung der Leistung hat sich ein bestimmter Sprachgebrauch entwickelt: Bewertet der Arbeitgeber die Leistung mit den Worten: "Der Arbeitnehmer hat sich bemüht, die ihm übertragene Arbeit zu unserer Zufriedenheit zu erledigen" oder mit: "Er führte die ihm über-tragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse aus", so heißt dies, dass der Arbeitnehmer eine völlig unzureichende Leistung erbracht hat. Die Formulierung: "Er hat die ihm über-tragenen Aufgaben im großen und ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt" beschreibt eine mangelhafte Leistung. "Zu unserer Zufriedenheit erledigt" ist schwach ausreichend; "zu unserer vollen Zufriedenheit" bescheinigt eine durchschnittliche, "stets zu unserer vollen Zu-friedenheit" eine gute und "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit" eine sehr gute Leistung. Diese sprachlich nicht glückliche Formulierung stammt vom Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft und wird auch vom LAG Hamm (4 Sa 1077/91) als übliche Zeugnis-sprache angesehen.
Bei der Bewertung des Verhaltens werden regelmäßig die folgenden Formulierungen benutzt: "Sein Verhalten bei Vorgesetzten und Mitarbeitern war stets einwandfrei / vorbildlich" (sehr gut). Ohne das Wörtchen "stets" war das Verhalten nur gut; "sein Verhalten war gut" bedeutet "befriedigend", und "sein Verhalten war befriedigend" ist nur ausreichend. Eine Abwertung kann auch darin gesehen werden, dass unwichtige oder weniger wichtige Aussagen vor wichtige Aussagen gesetzt werden, dass Selbstverständlichkeiten anstelle von Wichtigem hervorgehoben werden oder dass beliebig auslegbare Leerformeln verwendet werden. Ein Faulpelz kann z.B. so beschrieben werden: "Wenn er sich seiner Arbeit widmete, waren seine Leistungen hervorragend."
Man sollte darauf achten, dass eine Schlussformel enthalten ist. Leider hat das BAG ent-schieden, dass der Arbeitnehmer darauf keinen Anspruch hat
Der Arbeitgeber hat das Zeugnis auf einem Firmenbogen zeitnah zum Ausscheiden zu er-stellen. An ein späteres Ausstellungsdatum ist ein eventueller Streit um das Zeugnis zu er-kennen.
Der Arbeitnehmer hat das Zeugnis kurzfristig nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb zu verlangen. Ein später geltend gemachter Anspruch ist nach etwa 6 Monaten verwirkt.
Der Arbeitgeber  ist dem Arbeitnehmer für ein schuldhaft verspätet, unrichtig oder überhaupt nicht ausgestelltes Zeugnis schadensersatzpflichtig. Der zu ersetzende Schaden besteht dabei regelmäßig in dem Verdienstausfall, den der Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass er wegen des Fehlens oder der Unrichtigkeit eines erteilten Zeugnisses keine neue Arbeitsstelle findet oder zu schlechteren Bedingungen eingestellt wird.
Eine Haftung des Zeugnisausstellers gegenüber dem neuen Arbeitgeber kommt wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB in Betracht, wenn der Aussteller in dem Zeugnis unwahre Angaben gemacht hat, er das Risiko schädlicher Folgen kannte und sie billigend in Kauf nahm. Der Arbeitnehmer wiederum hat einen einklagbaren Anspruch auf Berichtigung eines unrichtigen oder unvollständigen Zeugnisses.

 
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