Scheurmann - Schraad & Partner Notare - Rechtsanwaltskanzlei

Bad Hersfeld 17. 07. 2013

Abmahnung

Bei Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber grundsätzlich nur dann kündigen, wenn er zuvor den Arbeitnehmer wegen einer gleichen oder ähnlichen Pflichtverletzung (mindestens) schon einmal abgemahnt hat.

Viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber kennen nicht ihre Rechte im Zusammenhang mit einer Abmahnung. Bei der Abmahnung – die übrigens in Kleinbetrieben oder innerhalb der ersten sechs Monate der Beschäftigung nicht erforderlich ist, da hier der Arbeitgeber weitgehend frei kündigen kann – weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten hin. Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und droht für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung mit personellen Konsequenzen.

Eine Kündigung muß nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zwar nicht ausdrücklich angedroht werden, doch wird dies von den Instanzgerichten häufig anders gesehen. Deshalb sollte, damit die Abmahnung mit Gewißheit auch ihre arbeitsrechtliche Wirkung entfalten kann, immer mit der Kündigung gedroht werden.

Die Abmahnung ist keine Ermahnung

Diese Abmahnung ist rechtlich von der "Vertragsrüge" (Verwarnung und Ermahnung) zu unterscheiden, mit der zwar ebenfalls ein vertragswidriges Verhalten gerügt wird, die jedoch mangels einer deutlichen Androhung einer Kündigung kündigungsrechtlich ohne Bedeutung ist.

Eine Abmahnung ist entbehrlich bzw. nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer nicht willens oder in der Lage ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Auch besonders schwere Verstöße bedürfen keiner Abmahnung, weil hier der Arbeitnehmer ohnehin nicht damit rechnen kann, daß der Arbeitgeber sein Verhalten hinnehmen würde, und weil er weiß, daß er seinen Arbeitsplatz riskiert. Die Notwendigkeit einer Abmahnung entfällt auch bei einer besonders hartnäckigen Pflichtverletzung.

Die Frage, ob mehrere Abmahnungen erforderlich sind, bevor eine Kündigung Aussicht auf Erfolg hat, läßt sich nur nach den Umständen des Einzelfalles beantworten. Der häufig angeführte Grundsatz, wonach der Arbeitgeber in jedem Fall drei Abmahnungen ausgesprochen haben muß, bevor er kündigen kann, existiert nicht. Man wird vielmehr die folgende Praxis empfehlen müssen:

Je gravierender der Sachverhalt, um so weniger wird dem Arbeitgeber eine zweite Abmahnung zumutbar sein;

je länger die Beschäftigungszeit des Arbeitnehmers im Unternehmen, um so mehr wird die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers eine weitere Abmahnung gebieten.

Das Bedürfnis für eine Wiederholung der Abmahnung wird um so mehr gegeben sein, je länger die letzte Abmahnung zurückliegt und je geringer die abgemahnte Pflichtverletzung ist.

Für die Abmahnung gibt es keine gesetzlichen Formvorschriften, sie kann daher auch mündlich ausgesprochen werden. Doch sollte sie aus Beweisgründen immer schriftlich erfolgen. Der Brief sollte um der Klarheit willen ausdrücklich mit "Abmahnung" und nicht mit "Rüge" oder "Verweis" überschrieben werden.

Schlagworte genügen nicht

Die Abmahnung muß unbedingt eine konkrete Beschreibung des Fehlverhaltens und die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen (also der Kündigung) enthalten. Der Arbeitgeber muß die gerügten Vorgänge einzeln konkret mit Datum, Ort und Uhrzeit schildern. Schlagworte wie "mangelnde Arbeitsbereitschaft", "Unzuverlässigkeit" oder "Störung des Betriebsfriedens" genügen nicht.

Feste Fristen, wann nach Feststellung eines Fehlverhaltens des Arbeitnehmers eine Abmahnung ausgesprochen werden muß, gibt es nicht. Insbesondere müssen Pflichtverletzungen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könnten, nicht innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB abgemahnt werden.

Dennoch sollte der Arbeitgeber aus Beweisgründen nicht zu lange warten. Das Recht auf Abmahnung kann nämlich verwirkt werden, wenn der Arbeitgeber weitere Pflichtverletzungen unbeanstandet läßt und der Arbeitnehmer deshalb mit einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechnen kann.

Da die Abmahnung eine Vorstufe zur Kündigung ist, können die abgemahnten Leistungsmängel oder Verhaltensweisen nur dann zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogen werden, wenn nach erklärter Abmahnung wieder ein Leistungs- oder Verhaltensmangel der gerügten Art auftritt. Die Abmahnung muß also einen gleichartigen Sachverhalt betreffen wie die Kündigung.

Abmahnungen haben nur eine zeitlich begrenzte Wirkung. Nach Ansicht des BAG gibt es keine allgemeine Frist, wann sie ihre Wirkung verliert. Bei den Instanzgerichten gilt in der Regel die Faustregel, daß eine Abmahnung nach Ablauf von zwei Jahren wirkungslos wird, so daß der Arbeitgeber sich auf sie zur Rechtfertigung einer Kündigung dann nicht mehr berufen kann.

Der Arbeitnehmer kann sich gegen eine unberechtigte Abmahnung wie folgt wehren:

Er kann verlangen, daß eine Gegendarstellung in seine Personalakte aufgenommen wird; dieser Forderung muß der Arbeitgeber nachkommen. Er muß diese Gegenerklärung unmittelbar bei dem beanstandeten Abmahnungsschreiben abheften.

Der Arbeitnehmer hat aber notfalls auch einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, wenn diese Abmahnung unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, die den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung und in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen könnten.

Dieses Widerrufs- und Beseitigungsrecht kommt nicht nur bei unrichtigen Tatsachenbehauptungen in Betracht, sondern auch, wenn der Arbeitgeber eine unstreitige Tatsache zu Unrecht als Vertragsverletzung rügt.

So wie unrichtige Tatsachenbehauptungen sind in einer Abmahnung enthaltene pauschale Vorwürfe, die weder hinreichend genaue zeitliche Angaben noch nähere Einzelheiten und Umstände der angesprochenen Vorfälle enthalten, dazu geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern. Eine Abmahnung ist daher bereits dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn die darin enthaltenen Vorwürfe teilweise pauschal und undifferenziert sind.

Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, zur Vermeidung von Nachteilen in einem etwaigen späteren Kündigungsschutzprozeß gegen eine Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Denn ein Nachschieben von Abmahnungsgründen ist wegen der Warnfunktion der Abmahnung nicht zulässig.

 
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